Kultur Tweetup zur Oper Minsk

Am 16. Februar fand während einer Probe der Uraufführung Minsk, welche am 3. März 2013 in Heilbronn Premiere hatte, der erst Kultur Tweetup eines Stadttheaters statt.

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„Ich bitte die Damen und Herren mit Twitterfähigkeiten in den Zuschauerraum!“

Am 16. Februar 2013 veranstaltete das Theater Heilbronn als erstes Stadttheater einen Kultur Tweetup. „Einen was? Einen Tweetup?“ – Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich von einem Kultur Tweetup das erste Mal gehört, als Katrin Schröder, Social Media und Marketing Beauftragte am Theater Heilbronn, im Winter 2012 auf mich zukam und fragte, ob ich eine Probe zur Uraufführung der Oper MINSK, welche am 3. März 2013 Premiere haben sollte, für Twitterer öffnen würde.

Bis zum Sommer 2012 war ich am Theater Heilbronn als Regisseur, Chefdramaturg und stellvertretender Intendant engagiert. Als Leiter der Abteilung Marketing und Öffentlichkeitsarbeit war ich mit dem Entwicklungs- und Aufbauprozess der Social Media Aktivitäten am Haus bestens vertraut. Aber sich auf einen Kultur Tweetup während des knapp 6-wöchigen Probenprozesses als Gastregisseur einzulassen, war auch für mich Neuland. Normalerweise lässt man sich vor einer Premiere nicht gerne in seine künstlerischen Karten schauen, denn es wird noch ausprobiert, verworfen und neu gestaltet. Allerdings hatte mich das Gesamtkonzept überzeugt, mit dem Theater versucht, neue Wege im digitalen Raum zu gehen. Der kultup wurde als begleitende Marketingstrategie gesehen, damit die Inszenierung überregionale Aufmerksamkeit finden kann. Es war beabsichtigt, eine neue Zielgruppe für die Theaterarbeit zu interessieren, Schwellenängste abzubauen und sowohl Verständnis für die Kulturarbeit herzustellen, wie auch eine Beziehung zu der online Community aufzubauen, indem man exklusive Hintergrundinformationen und vertiefende Inhalte anbietet. Es wurde sich bewusst dafür entschieden eine Probe zu öffnen, da selbst viele Theaterbesucher nicht wissen wie ein Stück entsteht, wie eine Probe abläuft und welche Arbeit dahinter steckt bis ein Stück zur eigentlichen Aufführung kommt. Hier bietet gerade Twitter als Echtzeitmedium interessante Möglichkeiten schnell Informationen zu streuen und in den Dialog mit seiner Zielgruppe zu treten.

Zur Verstärkung des Teams für dieses neuartige digitale Kulturevent wurden Birgit Schmidt-Hurtienne und Ulrike Schmidt von der Organisation Kultup aus Frankfurt mit an Bord geholt. Die beiden Frauen beschreiben einen Kultur Tweetup folgendermaßen: „Bei KultUps geht es um mehr als ein reines Zusammentreffen von Twitterern. Wir zeigen bei unseren Tweetups, was es in Kultureinrichtungen Interessantes und Spannendes zu entdecken gibt. Wir öffnen den Twitterern die Türen der Kultureinrichtungen und den Kultureinrichtungen den Weg in den digitalen Raum, wo sie ihren Aktionsradius für die Dauer der Veranstaltung und darüber hinaus erweitern können.“

Bereits einige Wochen vor dem eigentlichen Twitter Event wurde im Blog des Theaters Heilbronn ein Blick hinter die Kulissen der Uraufführung Minsk geworfen. Die Mitarbeiter_innen aus der ÖA, Dramaturgie und von Kultup haben fast täglich geschrieben, fotografiert und gefilmt, um die Arbeit am Theater und die Inhalte der Inszenierung zu vermitteln.  Es gab Beiträge zu dem Komponisten Ian Wilson, der Librettistin Lavinia Greenlaw, den Protagonisten Johanna Greulich (Anoushka), Ksenija Lukic (Anna) und Niklas Romer (Fyodor), dem Inszenierungsteam sowie dem Kooperationspartner dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn. Der Leser konnte außerdem die Entstehung der Bühne, der Kostüme sowie der Maske in den Theaterwerkstätten verfolgen.

Dieser Aspekt ist für mich ein wesentlicher Bestandteil eines Kultur Tweetups. Es blieb nicht bei einem einfachen singulären Event, bei dem twitterende Theaterinteressierte exklusiv bei einer Bühnenprobe zuschauen durften, sondern es wurden ausführliche
Hintergrundinformationen zu einer Uraufführung gegeben.
Nähere Informationen zu Inhalt und Hintergrund der Oper gibt es auf dem gesonderten Beitrag zu „Minsk“. Bitte hier klicken.

Der Tweetup ist in diesem Zusammenhang nicht nur ein Marketinginstrument, sondern Ausdruck der Gegenwart, die in der Oper untersucht wird. Abgerundet wurde diese Vermittlungsarbeit durch das  Filmprojekt „Dasein: Heilbronn“, das das Württembergische Kammerorchester in Zusammenarbeit mit Schüler_innen einer Heilbronner Schule, der Wartbergschule, realisiert hatte.

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Am 16. Februar war es dann soweit. Es fanden sich ungefähr 30 interessierte Twitterer, 2 Kamerateams, ein Team des SWR Hörfunk sowie Vertreter_innen der Printmedien im Foyer des Großen Hauses ein, um bei dem ersten Kultur Tweetup eines Stadttheaters dabei zu sein und sich der Herausforderung zu stellen sich eine gute Stunde lang in 140 Zeichen über den Microbloggingdienst Twitter auszutauschen. Vorab hatte das Theater Heilbronn noch ein Wlan Netz installiert und es wurde die Twitterwall http://kultup.tweetwally.com eingerichtet, welche alle Tweets mit dem Hashtag #kultup sammelte. Hier konnten auch Nichttwitterer das Geschehen verfolgen.

Um kurz nach 10 Uhr ging es los:

Zu Beginn wurde kurz das Konzept der Inszenierung ausgeführt, dann wurde geprobt und am Ende wurden sogar die Twitterer auf die Bühne geholt, um sie in einer Szene als Statisten mitwirken zulassen. Aber lassen wir doch an dieser Stelle die Tweets sprechen:

 

 

 

 

 

 

 

 

Insgesamt wurden innerhalb von einer Stunde 777 Tweets verschickt, welche von Tausenden zu lesen waren. Der Hashtag #kultup führte an diesem Tag die Liste der Top-Twitter-Hashtags in Deutschland an! Alle Tweets sind auf storify gesammelt, aufbereitet und auch ausgewertet wurden. Nach dem Kultur Tweetup gab es noch ein Nachgespräch mit den Twitterern, dem Dramaturgen Johannes Frohnsdorf, der Initiatorin Katrin Schröder sowie Birgit Schmidt-Hurtienne und Ulrike Schmidt in der Theaterkantine. Bei diesem Gespräch war ich nicht anwesend, aber es wurde wohl noch ausführlich diskutiert:

Sehr spannend zu lesen waren im nach hinein die Blogbeiträge der Anwesenden.

Der Social Media Manager Christian de Vries schreibt unter der Überschrift „Tweets öffnen Türen“„Was bringt das? Es öffnet Türen. Theater- und Opernkunst bewegen sich in der digitalen Kommunikation auf Menschen zu. Auf Menschen, die vorher vielleicht nie im Theater waren. Die aber nun eingebunden werden, die sehen und berichten dürfen. Sie teilen es anderen mit, laden damit zur Diskussion ein. Und natürlich zum Besuch der Aufführung. Dies ist ein guter Weg, die Theaterkunst transparenter und damit begreifbarer zu machen.“

Die Heilbronner Theatergängerin Bianka Blavustyak lässt uns auf B lebt wissen: „Ich verstehe, dass weder Regisseur noch Ensemble ständig Zuschauer in den Proben haben wollen. Daher war dieser seltene Einblick, den wir bekommen durften, natürlich umso wertvoller. Als Theaterbesucherin war das für mich echt ein Mehrwert! Interessant auch immer wieder die Erklärungen des Regisseurs zum Bühnengeschehen. Dass die Proben zu großen Teilen nur mit Klavierbegleitung stattfinden und erst in den letzten Zügen mit dem Orchester gemeinsam geprobt wird. Wie die Kostüme der Statisten und Darsteller im Stück aussehen werden, da wir nur die Probenkostüme zu sehen bekamen (die allerdings, Rentierpulli sei Dank, für Gesprächsstoff und Erheiterung sorgten). Wie die Beleuchtung im Stück dann sein wird, da in den derzeitigen Proben noch mit gleichbleibender Beleuchtung gearbeitet wird. Und und und. So viele Hintergrundinfos zu bekommen war einfach klasse!“

Der Verwaltungswissenschaftler Thomas Michl schreibt in seinem Blogbericht „Zu Gast beim #kultup im Theater Heilbronn“: „Insgesamt muss ich sagen, eine sehr interessante Veranstaltung, die mich hoffen lässt, dass weitere kultups in Heilbronner Theater folgen werden.“

Und die Kulturwissenschaftlerin Laura Geissler von LiveQR berichtet in ihrem „Tweetup Bericht: Zwitschern aus dem Theatersaal“ über ihre Erfahrungen: „Es spricht einiges für Theaterproben als Rahmen für einen Tweetup, weil die Szenen oft wiederholt würden und man so die Chance hätte, trotz Smartphone nichts zu verpassen. Es gab aber auch Verfechter, die sich Smartphones in regulären Vorstellungen wünschen, um unmittelbar Kommentare auf Twitter abgeben zu können. Wie hier die Realisierung aussehen könnte, wurde nicht weiter ausdiskutiert. Möglich wäre, ausgewählte Vorstellungen als “Twitter-Vorstellungen” zu deklarieren oder bestimmte Sitzplätze für Twitterer zur Verfügung zu stellen, von denen das Licht des Bildschirms weder andere Besucher noch die Schauspieler stört.“ Laura Geissler twitterte außerdem:


Da ich nun erst seit September unter @kultureller twittere, hier eine etwas verspätete Antwort in 140 Zeichen: @wishful_th Ich war beeindruckt! Was alles aufgenommen, registriert und getwittert wurde!

Twitterfähigkeiten sowie Multitasking waren beim Kultup wirklich gefragt! Das Format Tweetup ist in meinen Augen während einer Probe sinnvoll. Hier können Publikum und Mitleser einen Blick hinter die Kulissen werfen und ganz neue Eindrücke über das Medium Theater gewinnen. Inhalte können durch Wort, aber auch Foto und Video weiter vermittelt werden. Die anwesenden Twitterer werden zu Multiplikatoren. Der Tweetup kann hier, eingebettet in eine professionelle Social Media Strategie, als neues Veranstaltungsformat, den digitalen mit dem realen, analogen Raum verbinden.
Während einer Vorstellung sehe ich das Twittern aber als problematisch an, da das helle Display des Smartphone sowie das Tippen zu stark ablenken würde. Das Theatererlebnis sollte hier im Vordergrund stehen. Eine Alternative wären natürlich ganz neue Theaterkonzepte, welche soziale Medien und deren Mehrwert in das Inszenierungskonzept einbauen. Hier hat das Theater in meinen Augen aber noch einen langen Weg vor sich, um sich weiter zu öffnen und sich auf die neuen digitalen Veranstaltungen einzulassen und dabei auch den zu vermittelnden Inhalt nicht aus den Augen zuverlieren.

Christian Marten-Molnár, Regisseur der Oper Minsk

In der Presse aber auch von Bloggern wurde diese neuartige digitale Kulturvermittlung aufgegriffen:

SWR Fernsehen, Landesschau aktuell (16.02.2013)
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L-TV Tagesaktuell (Montag der 18.02.2013, ab Minute 09:05)
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Mit der Lizenz zum Wischen und Klicken
Heilbronner Stimme (19.02.2013) [Auszug]
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Blogbeiträge zum Kultur Tweetup:

KultUp (8) im Theater Heilbronn – Twittern von den Brettern, die die Welt bedeuten
Blog von Kultup
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#kultup: Twittern aus dem Theater Heilbronn
Blog “B lebt”
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Tweets öffnen Türen
Blog von Christian de Vries
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Zu Gast beim #kultup im Theater Heilbronn
Blog von Thomas Michl
bitte hier klicken

Tweetup Bericht: Zwitschern aus dem Theatersaal
Blog von LiveQR
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